Auf der Suche nach dem Präsenzgen in der Universitätslehre

Eine Spurensuche in den Präsenzdiskursen der letzten Dekade

Jörg Hafer
Universität Potsdam

Zusammenfassung
Bedingt durch die erzwungene Nicht-Präsenz ist seit dem Frühjahr Jahr 2020 die Präsenzlehre ein durchgängiges Thema in der Universität und große Hoffnungen verbinden sich mit der aktuellen Erwartung, dass wieder mehr Präsenz im kommenden Semester möglich sein könnte. Durch die auf „das Digitale“ reduzierte Lehrwirklichkeit ist sie als Leerstelle permanent anwesend und wird als Teil der „DNA of Higher Education“ (Christensen & Eyring 2011) empfunden, als konstitutiv für die Kultur, das Selbstverständnis und das Funktionieren der Universität und der Universitätslehre. In einer ersten kursorischen Durchsicht der Aussagen zur Präsenzlehre der zurückliegenden Monate kristallisieren sich der körperlich-gegenwärtige, sozial geteilte Raum, Strukturen der Kommunikation wie Komplexität, Ganzheitlichkeit und Wechselseitigkeit und (inter-)personale Qualitäten wie persönlich, unmittelbar und gemeinsam als Bezugspunkte der Präsenzlehre heraus (siehe dazu das erste Kapitel). Es zeigt sich bei näherer Betrachtung aber auch, dass diese scheinbar selbstverständliche Abgrenzung der Präsenzlehre von der Online-Lehre nicht leicht fassbar ist, denn diese Bezugspunkte lassen sich auch in der Online-Lehre finden. Es stellt sich daher die Frage, was ist in den Diskussionen der letzten Monate genau gemeint wenn von „Präsenzlehre“ gesprochen wird? Im Folgendem möchte ich daher drei markante Diskurse nachzeichnen, in denen sich der Begriff „Präsenz“ und dessen Bedeutungen in den letzten ca. 10 Jahren bewegt haben. Dies sind die MOOC-Bewegung, die Anwesenheitspflicht und die Deputatsanrechnung für E-Learning. Dabei ergibt sich die zeitliche Eingrenzung aus der Annahme, dass seit den 2010er Jahren die Diskussion über den Einsatz von digitalen Medien in der Bildung („E-Learning“) hin zur Digitalisierung der Bildung bewegt hat. Ich beziehe mich weiterhin auf diejenigen Positionen und Diskussionen, die öffentliche Aufmerksamkeit bspw. in Zeitschriften, auf Tagungen und in einschlägigen Blogs erlangt haben. Im Mittelpunkt der Analyse sollen dabei vor allem die Bestimmungen, Negationen und deren Dynamik stehen, die mit dem Präsenzbegriff verbunden sind. Erweitert wird die Betrachtung um die Begriffszuschreibung der Präsenz in den Definitionen des Integrierten Lernens. Ziel ist es, einen der zentralen Begriffe zu schärfen auf dessen Grundlage die neue Normalität der Universitätslehre nach der Corona-Krise gestaltet und entwickelt werden wird.

DO

21.10.


SESSION 1
10:30 - 12:00 Uhr

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